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Das betriebliche Frühwarnsystem – ein Muss für jedes Unternehmen

Frühzeitiges Erkennen von Symptomen einer Unternehmenskrise ist die Grundlage der Unternehmenssicherung – Präventionsmaßnahmen helfen, Krisen zu vermeiden.

„Es kommt nicht darauf an, die Zukunft voraus zu sagen, sondern darauf, auf diese vorbereitet zu sein“. Die Erkenntnis dieses Aphorismus’ hat – vor dem Hintergrund von Krisenzeiten – an Aktualität nicht verloren.

Der Begriff der Krise ist derzeit in aller Munde: Wirtschaftskrise, Eurokrise, politische Krisen aller Art und Couleur – vergessen wir dabei nicht die Unternehmenskrise, die am Ende dieser langen „Krisenkette“ steht. Hiermit ist nicht nur die akute Krise etwa im Sinne der Zahlungsunfähigkeit gemeint, als Krise ist im Prinzip jede beginnende Abweichung vom betriebswirtschaftlichen Gleichgewicht eines Unternehmens zu sehen. Damit liegt der Zeitpunkt des Eintritts einer Krise lange vor deren sichtbaren Auswirkungen.

In Zeiten rezessiver Konjunkturentwicklung und der damit einhergehenden Zunahme an Insolvenzen stellt sich verstärkt die Frage nach einer frühzeitigen Krisenerkennung. Damit verbunden ist gleichzeitig die Reflexion über das mögliche Versagen bestehender Risikomanagementsysteme.


Ursachen für Unternehmenskrisen sind in der Regel multikausal

Für Unternehmensschwächen zeichnen sowohl externe als auch interne Ursachen verantwortlich. Die Analyse zahlreicher Unternehmen aus der Beratungspraxis zeigt, dass diese Schwächen in der Regel nicht nur auf einer Ursache basieren, sondern das Ergebnis des Zusammenwirkens einer Mehrzahl Krisen verursachender Faktoren – also multikausal – sind.

Als externe Faktoren zählen insbesondere:

  • Konjunktur- und Marktveränderungen

  • Veränderung externer Wertschöpfungsketten

  • Neue Informationstechniken

  • Ressourcenverknappung, steigende Preise

  • Veränderung von Konsumverhalten

Neben diesen exogenen, kaum beeinflussbaren Risikofaktoren gibt es jedoch eine Reihe weiterer, durchaus beeinflussbarer Faktoren. Diese sind meist innerhalb der Unternehmen zu finden und resultieren u.a. aus Defiziten in der Unternehmensführung und –planung, der internen und externen Kommunikation sowie aus einer bisweilen unglücklichen Personalpolitik. Nicht zuletzt sind Unternehmensschwächen auch auf die sog. „Betriebsblindheit“ zurückzuführen, auf den fehlenden „Blick von außen“, der – frei von internen Verstrickungen und Partikularinteressen einzelner Bereiche oder Personen – objektiv und ohne Teil des Systems zu sein, frühzeitig Schwachstellen identifiziert und damit den Weg für erforderliche Korrekturmaßnahmen bereitet.


Durch kontinuierliches „Scanning“ werden Warnsignale identifiziert und sichtbar gemacht

„Frühwarnsysteme sind Systeme, Vorgehensweisen und Instrumente, die Unternehmen in ihrem spezifischen Umfeld dabei unterstützen, sich auf zukünftige Entwicklungen und Anforderungen vorzubereiten und den Wandel zu antizipieren“ (Definition der Arbeitsgruppe „Betriebliche Frühwarnsysteme“ im Rahmen des nationalen thematischen Netzwerkes „Lernen in KMU). Im Mittelpunkt steht dabei die Erkennung und Auswertung von unterschiedlichen Informationen aus dem Unternehmen selbst sowie aus dessen Umfeld, so genannter „Signale“.

Diese Signale weisen auf Strukturbrüche, Diskontinuitäten oder Trendveränderungen hin. Extern können dies Veränderungen in den Absatz- und Beschaffungsmärkten sein, Technologiewandel oder Expansionsbestrebungen von Wettbewerbern. Innerhalb des Unternehmens lassen diese Signale Veränderungen im Wertesystem des Unternehmens, im Führungsverhalten oder in der Motivation der Mitarbeiter deutlich werden.

Das Aufspüren der Signale – auch als „Scanning“ bezeichnet – bildet die Grundlage der strategischen Früherkennung. Ergeben sich hieraus relevante Problemfelder, schließt sich das „Monitoring“ an, im Rahmen dessen eine vertiefende Beobachtung sowie eine Ursache-Wirkung-Analyse durchgeführt werden. Auf Basis hieraus resultierender Erkenntnisse werden Prognosen (meist in Form von Szenarien) erstellt und adäquate Gegenstrategien und Maßnahmen abgeleitet.

Die Signale kommen meist aus unterschiedlichen Bereichen wie beispielsweise:

  • Markt: sinkendes Auftragsvolumen, abnehmende Marktanteile, verringernde Preiselastizität, zunehmende Kundenreklamationen

  • Produktion/ Dienstleistung: abnehmende Produktivität, steigende Qualitätsprobleme, Lieferverzögerungen

  • Finanzen: sinkende Umsatzerlöse, Budgetabweichungen, Liquiditätsengpässe, Abweichungen bei der Finanzplanung, Änderung der Zahlungsweise (Hinauszögern von Zahlungen, Überschreitung der Zahlungsziele)

  • Innerbetriebliche Situation: erhöhte Krankheitsrate bei den Mitarbeitern, angespanntes Betriebsklima, zunehmende Aggression im gegenseitigen Umgang, erhöhte Schuldzuweisungen bei auftretenden Fehlern etc.

Eine zentrale Aufgabe des Managements ist es, identifizierte Signale in konkrete Handlungsanweisungen umzusetzen. Hierzu zählen die Überprüfung definierter Ziele sowie die ggf. erforderliche Anpassung der Zielerreichungsstrategien. Standen lange Zeit die Beobachtung einzelner Kennzahlen im Mittelpunkt der Betrachtung (Abweichung von Sollzahlen bzw. Mindestwerten), so sind diese für ein umfassendes Frühwarnsystem nicht mehr ausreichend. Moderne Frühwarnsysteme sind darauf ausgerichtet, Zusammenhänge mehrdimensional miteinander zu verknüpfen und kritische Bereiche wie Organisation, Mitarbeiter und Prozesse sowie Markt, Lieferanten und Kunden in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen.

Maßgeblich für die Qualität eines Frühwarnsystems sind die vom Management festgelegten Kennzahlen und Parameter in Bezug auf die betrachteten Bereiche sowie die daraus abgeleiteten Wirkungszusammenhänge und Sollvorgaben, bei deren Abweichung Alarm ausgelöst wird. Sind die Vorgaben fehlerhaft dimensioniert, etwa durch zu knapp bemessene Reserven, kann das Frühwarnsystem insgesamt seine Wirkung verlieren.


Schwächen interner Frühwarnsysteme

Wird ein Unternehmen von einer Unternehmenskrise „überrascht“, so kann es in der Regel nur noch reagieren statt agieren, der unternehmerische Handlungsspielraum wird sehr schnell sehr eng. Eine wirklich unvermittelt auftretende Notsituation ist in der Praxis allerdings eher selten, selbst wenn sie subjektiv von den Verantwortlichen so wahrgenommen wird: lange vor dem Eintritt einer solchen Notsituation – etwa in Form der Illiquidität – gab es strukturelle und organisatorische Vorzeichen, die auf eine drohende Krise hingewiesen haben.

Gerade hier liegt eine gefährliche Schwäche rein interner Frühwarnsysteme, unabhängig davon, mit welchem Aufwand diese betrieben werden: Die verspätete Wahrnehmung und/ oder unzutreffende Interpretation der Warnsignale, die vom Unternehmen ausgehen.

Der unternehmerische Alltag mittelständischer Unternehmen ist geprägt von hohem Kosten- und Wettbewerbsdruck, bei inhabergeführten Unternehmen zusätzlich von einer starken persönlichen operativen Einbindung. Hinzu kommen knappe Personalressourcen sowie multifunktionale Aufgabenbereiche der Führungskräfte. Hieraus resultiert häufig eine Belastungssituation, welche die intensive Beschäftigung mit dem Frühwarnsystem zur Nebensache werden lässt. Die Kontrolle der definierten Kennzahlen und Parameter verkommt zu einer lästigen Pflichtübung, Abweichungen werden als kurzfristige Erscheinungen herabgespielt und – treten sie über einen längeren Zeitraum auf – als „marktüblichen Trend“ hingenommen.

Eine weitere Problematik resultiert aus der unternehmensinternen Sichtweise des Unternehmens, die häufig nicht mit der Sichtweise von Kunden, Lieferanten, Geschäftspartnern und vor allem der Banken kongruent ist. Diese führt zu einer einseitig gefärbten Interpretation identifizierter Signale, die wiederum Maßnahmen nach sich ziehen (oder auch nicht), welche nicht die Erwartung der vorgenannten Drittparteien erfüllen. Dies kann bewirken, dass eine Fehleinschätzung von Unternehmensrisiken vorgenommen wird, was insoweit fatal ist, als diese die Grundlage zur Festlegung von Kennzahlen für das Frühwarnsystem bilden. Ein Teufelskreis, der so manches Unternehmen in die Insolvenz getrieben hat.

Vor dem Hintergrund dieser in der Praxis immer wieder auftretenden Phänomene sind Unternehmen gut beraten, ihr Frühwarnsystem unter Mitwirkung externer Fachkompetenz aufzubauen oder zumindest dieses in regelmäßigen Abständen überprüfen zu lassen, um ein „Gegengewicht“ zu den internen Sichtweisen zu ermöglichen.


Prävention zur Krisenvermeidung

Prävention ist die beste Therapie – ein Leitsatz aus der Medizin, der auch bei Unternehmen Anwendung findet. In diesem Zusammenhang sprechen wir von der sog. „potenziellen Krise“, die möglich, aber noch nicht real ist und sich daher durch das Fehlen wahrnehmbarer Symptome auszeichnet (Quasi-Normalzustand des Unternehmens). Im Mittelpunkt der Betrachtung steht die gedankliche Vorwegnahme möglicher Krisensituationen und die Planung entsprechender Kompensationsmaßnahmen mit dem Ziel der Reduktion der Krisenbewältigungsanforderungen im Falle des Eintritts der Krise. Dies geschieht in drei Schritten:

  • Identifikation

  • Absicherung

  • Alternativplanung

Im Rahmen der Identifikation erfolgt die Erstellung einer Prognose potenzieller Gefährdungsbereiche. Dies geschieht mittels Identifizierung von Schwachstellen mit existenziellem Gefährdungspotenzial (z.B. Markt, politische oder rechtliche Veränderungen, Beschaffung, …) anhand sog. qualitativer Prognoseverfahren. Sodann folgt die Überprüfung der der Unternehmensplanung zugrunde liegenden Annahmen.

Im Rahmen der Absicherung kommt die strategische Unternehmensplanung auf den Prüfstand: Diversifikation, Kooperationsstrategien, Sourcing-Entscheidungen etc. werden analysiert und ggf. adaptiert. Das Risikomanagement in Form des Insurance-Managements wird den Bedürfnissen angepasst.

Ziel der Absicherung ist eine Erhöhung der generellen Anpassungsfähigkeit des Unternehmens bei Strukturen und Prozessen wie beispielsweise die Mehrfachverwendung von Gebäuden und Anlagen sowie eine Flexibilitätssteigerung durch ausreichend qualifizierte, motivierte und lernfähige Mitarbeiter (selbständiges Erkennen von Krisenanzeichen und entsprechendes Reagieren).

Auf Basis der Erkenntnisse aus der Identifikation werden Szenarien gebildet und Alternativplanungen in Form sog. Präventivplanungen vorgenommen. Gegenstand für Präventivplanungen können beispielsweise sein:

  • Plötzlicher Ausfall von Schlüsselpersonen

  • Zerstörung/ Verlust betriebsnotwendiger Daten und Unterlagen (IT)

  • Werksspionage, Betrug oder Korruption

  • Zerstörung von Produktionsanlagen durch Brand

  • Wegfall der wichtigsten Kunden z.B. durch Insolvenz oder Abwanderung

Die unternehmerische Praxis lehrt uns, dass es keine vollständige Sicherheit im Rahmen eines vertretbaren Vorsorgeaufwandes gibt. Es können immer Situationen eintreten, mit welchen nicht zu rechnen war.

Durch den Aufbau und die Implementierung eines wirksamen Frühwarnsystems einerseits und die Einleitung einiger wesentlicher Präventivmaßnahmen kann sich jedoch jedes Unternehmen vor unerwarteten Beeinträchtigungen schützen. Oft sind es nur wenige, aber wirkungsvolle Maßnahmen die helfen, einer Krise vorbereitet entgegen zu treten und sich nicht von dieser überrollen zu lassen.



Über den Autor

Eckart Achauer, Jurist, Dipl.-Betriebswirt, MBA, ist – nach langjähriger international ausgerichteter Tätigkeit in verschiedenen leitenden Funktionen bei einem Schweizer Versicherungskonzern – seit Mitte der Neunziger Jahre als Managementberater und Interimsmanager tätig.

Seine thematischen Schwerpunkte sind Organisations- und Prozessoptimierung, Risiko-, Qualitäts- und Projektmanagement sowie die Sanierung/ Restrukturierung von Unternehmen. Sein Branchenfokus liegt auf der Energiewirtschaft, dem Handel und dem Dienstleistungssektor. Zu seinen Kunden zählen Unternehmen des Mittelstands im In- und Ausland sowie Dax-30-Unternehmen in Deutschland.

Im Rahmen seiner Fortbildung hat sich Eckart Achauer zum European Quality Manager und EFQM-Assessor qualifiziert. 2008 folgte die Ausbildung zum Mediator mit Schwerpunkt Wirtschaftsmediation.

Er ist Geschäftsführer der AGAMON Consulting GmbH, Berlin.

 
 
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